Neues Leben für antike Gips-Abgüsse
23.08.2024
Ein außergewöhnliches Seminar verbindet innovative Handyspiele mit dem historischen Wissen über das alte Rom. Acht Studierende der Geschichte/Archäologie haben teilgenommen – und sind begeistert.
23.08.2024
Ein außergewöhnliches Seminar verbindet innovative Handyspiele mit dem historischen Wissen über das alte Rom. Acht Studierende der Geschichte/Archäologie haben teilgenommen – und sind begeistert.
Eigentlich handelt es sich um eine digitale Schnitzeljagd. Aber „Mission Game“ klingt eindeutig spannender. So dürften das auch die Kinder und Jugendlichen sehen, die mit ihren Lehrkräften künftig das Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke am Königsplatz besuchen. Hier hat im Sommersemester ein Seminar für Studierende aller Semester stattgefunden, das antiken Gipsabgüssen mit Hilfe spannender digitaler Spielideen neue Attraktivität verleiht.
Die Herausforderung ist groß: „Es geht darum, wie Alte Geschichte auch in neuen Medien und an der Schwelle zwischen analogen und digitalen Räumen sichtbar bleibt“, so Dr. Denise Reitzenstein vom Historischen Seminar der LMU. Zusammen mit den Museumsleiterinnen Dr. Andrea Schmölder-Veit und Dr. Nele Schröder-Griebel vom Museum für Abgüsse hat sie das praxisorientierte Seminar konzipiert.
Es ist Teil des auf zwei Jahre angelegten Förderprogramms „kultur.digital.strategie“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, das Museen, Bibliotheken, Archive und Theater bei der Entwicklung digitaler Strategien unterstützt – so auch das Museum für Abgüsse, das bislang unter Münchnerinnen und Münchnern sowie Touristen eher ein Geheimtipp ist.
Wir haben Antikes aus der ganzen Welt.Andrea Schmölder-Veit , Museumsleitung
Das Museum besteht seit 1869 und beherbergt rund 2000 Gipsabgüsse von Skulpturen, Plastiken, Münzen und Gemmen – eine Sammlung, die von Anfang an vor allem Forschung und Lehre dienen sollte. „Wir haben Antikes aus der ganzen Welt“, so Schmölder-Veit. Herumgesprochen hat sich das nicht unbedingt. Wer wüsste schon, dass man mitten in München den Abguss der griechischen Siegesgöttin Nike, Dauergast im Pariser Louvre, in Originalgröße bewundern kann? – wenn auch aus Gips, nicht aus Marmor.
Vor allem Münchner Latein- und Geschichtsklassen besuchen das Museum, darüber hinaus Interessierte, die zeichnen oder einfach Antike genießen möchten. Und natürlich Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Marianthi Grohmann, die besonders schätzt, dass sich das Museum und das Institut für Klassische Archäologie mit seiner großen Bibliothek unter einem Dach befinden. Die familiäre Atmosphäre des Hauses gefalle ihr, erzählt sie, die „kreative Freiheit“ des Seminars habe sie regelrecht begeistert: „Es ging darum, den Gips zum Leben zu erwecken“.
Dazu suchten sich die Teilnehmenden zunächst Objekte in der römischen Abteilung aus, erschlossen sich diese mit den wissenschaftlichen Methoden von Archäologie und Geschichte und überlegten anschließend, wie sie junge Menschen für ihre Objekte interessieren könnten.
Auch die Mission Games, die im Bayerischen Nationalmuseum und im Ägyptischen Museum angeboten werden, testeten die Teilnehmer im Zuge des Seminars. Denn das Wissen über das antike Rom soll im Museum für Abgüsse in positiven Spielerlebnissen vermittelt werden, auch unter Einsatz von Augmented Reality, der computergestützten Erweiterung der Realitätswahrnehmung.
Marianthi Grohmann entschied sich für den römischen Kaiser Konstantin I. und schlug ein Anziehspiel vor, das den Internetspielen ähnelt, die sie selbst in ihrer Schulzeit so gern mochte. Der Titel ihres Projekts: „Des Kaisers neue Kleider“. Per App kleiden die Spielenden darin Kaiser Konstantin passend zum Anlass ein. Mal trägt er die Uniform eines Heerführers, mal eine Toga, die sich für einen Tempelbesuch eignet, mal Kleidung für eine Landpartie. So erfahren die Spielerinnen und Spieler eine ganze Menge nicht nur über den Kaiser selbst und den historischen Kontext, in dem er lebte, sondern auch über Kleidung, Stil und Mode im spätantiken Reich.
Inzwischen liegen die unterschiedlichsten Spielideen auf dem Tisch: Solche zur Propaganda in der römischen Kaiserzeit ebenso wie Abenteuerspiele, in denen Diebe gefangen oder Heilmittel gefunden werden müssen.
Nach den Sommerferien soll das Projekt im Team weiterentwickelt werden, Marianthi Grohmann und ihre Kommilitoninnen Nora Schwaabe und Fiora Brehme sind auch weiterhin mit von der Partie. Ziel ist es, das Mission Game mit eigenen Endgeräten spielen zu können. Nutzen will das Museum dabei die App „Actionbound“, die auch vom Goethe-Institut und dem Deutschen Museum verwendet wird. „Bei der Umsetzung kommt es darauf an, sich auf Methoden zu konzentrieren, die erprobt sind und erwiesenermaßen funktionieren“, sagt Marianthi Grohmann.
Normalerweise wird in Übungen, Seminaren und Vorlesungen spezifisches Wissen an interessierte Studierende vermittelt. dabei ist es genauso wichtig, dass wir als Studierende und Professorinnen der nächsten Generation zeigen, wie interessant und vielseitig die Antike war und vielleicht den ein oder anderen für unsere schönen Museen begeistern.Nora Schwaabe , Studentin, arbeitet am Projekt „Mission Game“ mit.
Ihre Kommilitonin Nora Schwaabe hat der Zuschnitt des Seminars besonders überzeugt: „Normalerweise wird in Übungen, Seminaren und Vorlesungen spezifisches Wissen an interessierte Studierende vermittelt“, erklärt sie, „dabei ist es genauso wichtig, dass wir als Studierende und Professorinnen der nächsten Generation zeigen, wie interessant und vielseitig die Antike war und vielleicht den ein oder anderen für unsere schönen Museen begeistern.“ Sie freut sich schon darauf, das Endergebnis zu sehen „und hoffentlich selbst zu spielen. Besonders toll wäre es, den Einfluss eigener Ideen auf das Mission Game erkennen zu können.“
Die Studentin Fiora Brehme lobt die Möglichkeit, praktische Erfahrungen in der Museumsarbeit zu sammeln: „Mir hat besonders gefallen, dass wir unsere eigenen Ideen entwickeln und einbringen konnten.“
Wir erhoffen uns für die Jugendlichen einen echten Mehrwert. Unser Ziel ist immer auch mehr Aufmerksamkeit für unser Museum. Und für die Besucherinnen und Besucher viele spannende, interaktive Museumserlebnisse.Nele Schröder-Griebel, Museumsleitung
Durch die Verknüpfung von analogen mit digitalen Angeboten will das Museum erreichen, „dass sich mehr Menschen mit antiker Kunst und Kultur befassen. Denn dieser Prozess schafft neue Perspektiven, verändert, erweitert Horizonte und wirkt positiv in die Gesellschaft hinein“, heißt es auf der Museumshomepage.
„Es hat unglaublich Spaß gemacht mit den Studierenden“, sagt Andrea Schmölder-Veit. Und Nele Schröder-Griebel ergänzt: „Wir erhoffen uns für die Jugendlichen einen echten Mehrwert. Unser Ziel ist immer auch mehr Aufmerksamkeit für unser Museum. Und für die Besucherinnen und Besucher viele spannende, interaktive Museumserlebnisse.“
Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke München: Ausstellungen und Veranstaltungen